"Latino e lingue volgari nella letteratura giuridico-politica del Cinque e Seicento in Germania"
modifié le: 2011-09-28
 

 

Wie allgemein bekannt, stellte die lateinische Sprache im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in Europa die „Rechtssprache“ par excellence dar. Nach dem Untergang des Römischen Reiches, also zwischen dem 5. und dem 9. Jahrhundert, wurde sie auch von den Völkern germanischer Abstammung zur offiziellen Sprache bei der schriftlichen Niederlegung ihrer Rechte, die auf mündlich überlieferten Sitten und Gebräuchen beruhten, erhoben. Diese Wahl führte bereits im Frühmittelalter zu einem ersten bedeutenden Kontakt zwischen der lateinischen und den germanischen Sprachen, der in erster Linie mit einer massiven Latinisierung von Begriffen und Ausdrücken, die den Volkssprachen entlehnt wurden, verbunden war. Andererseits liegen nach Ansicht der juristischen Geschichtsschreibung genau in diesen römisch-barbarischen Zusammenlegungen auch die Wurzeln der deutschen Rechtssprache: Sie gaben den Anstoß zu einigen der ersten schriftlichen Urkunden, die in germanischer Sprache verfasst waren (die Lex Salica der Franken, die Anfang des 6. Jahrhunderts in Latein niedergeschrieben und im 9. Jahrhundert ins Althochdeutsche übersetzt worden war; die Malbergischen Glossen; die Strassburger Eide aus dem Jahr 842).

Latein wurde nun innerhalb kurzer Zeit zur Sprache des ius commune, des Gemeinrechts, das sich zwischen Ende des 11. Jahrhunderts und Beginn des 12. Jahrhunderts in den meisten Gebieten des europäischen Kontinents durchgesetzt hatte. Durch den entscheidenden Anstoß vonseiten der ersten juristischen Universitäten etablierte sich die Rechtsdisziplin in genau dieser Zeit zu einer eigenständigen Fachdisziplin, die sich von den Bereichen Politik, Religion und Ethik abhob. Sie wird also zu einer Disziplin, die von einer Schicht von Ad-Hoc-Fachexperten, den Juristen, verwaltet und ausgearbeitet wird. Diese Rechtsexperten bedienen sich eines fachlich-konzeptuellen Instrumentariums, das sich durch eine besondere Sprachregelung auszeichnet. Kreiert wird eine regelrechte „Fachsprache“, die dazu dient, von den Institutionen vorgegebene, komplexe Regeln auszudrücken, die wiederum auf der Grundlage hochgradig ritualisierter Verfahren funktionieren.

Verglichen mit anderen europäischen Rechtstraditionen erfolgt die Rezeption des ius commune auf deutschem Territorium mit einiger Verspätung. Im Allgemeinen spricht man von einer „Frührezeption“ im Laufe des 13. Jahrhunderts und von einer echten „Rezeption“ im 14. und 15. Jahrhundert. Tatsächlich verzeichnet man ab dem 13. Jahrhundert auch eine starke Zunahme der Verwendung der deutschen Sprache in juristischen Urkunden und Gesetzessammlungen. Aus dieser Zeit stammen beispielsweise die ersten Rechtsbücher, eine Zusammenstellung lokaler germanischer Gebräuche, die in Volkssprache abgefasst sind. Es ist ein erster Versuch, das im weitläufigen deutschen Gebiet geltende Recht in einem einheitlichen Text darzulegen. Unter diesen sind der Sachsenspiegel von Eike von Repgow und der Schwabenspiegel zu erwähnen, die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert starke Verbreitung fanden. Zu erinnern ist ferner an den in lateinischer und Volkssprache veröffentlichten Mainzer Reichslandfrieden Kaiser Friedrichs II aus dem Jahr 1235, der ein symbolträchtiges Moment für die Durchsetzung der deutschen Rechtssprache darstellt. In diese Zeit fällt auch die Einführung der Volkssprache zunächst in der Kaiserlichen Kanzlei und dann in den Kanzleien der Fürstentümer, was wiederum zur Herausbildung eines eigenen „Kanzleistils“ führte.

Andererseits war das Kaiserreich zu jener Zeit (und auch noch lange Zeit danach) in rechtlicher Hinsicht durch eine extreme Zersplitterung gekennzeichnet, was sich in einer Pluralität lokaler Rechte ausdrückte, die auf den verschiedenen deutschen Dialekten basierten. Dies ist einer der Gründe, der letztlich die Rezeption des Gemeinrechts als höher entwickeltes Rechtssystem begünstigte. Zudem war dieses unabhängig von den zwischen den einzelnen Fürstentümern verlaufenden Grenzen und von den unterschiedlichen lokalen Rechtswirklichkeiten (Lehnsgüter, Städte, ländliche Gemeinschaften etc. mit ihren jeweils eigenen Sitten und Gebräuchen) anwendbar. Im Übrigen stimmte das Gemeinrecht nicht mit dem klassischen romanischen Recht überein. Es war vielmehr ein sich auf zwei Pfeiler stützendes Gesetzeswerk, das sich aus dem römischen Recht einerseits und dem kanonischen Recht andererseits zusammensetzte. Beide wurden in Anbetracht der jeweils aktualisierenden Auslegung der mittelalterlichen Rechtslehre an den damaligen europäischen Universitäten gelehrt. Das ius commune war in erster Linie „ein gelehrtes Recht“, das wie ein solider theoretischer Rahmen auftrat, in dem die verschiedenen Sonderrechte (iura propria) koordiniert werden konnten. Er zielte jedoch nicht auf die Beseitigung dieser Sonderrechte ab, sondern vielmehr darauf, diese zu integrieren. In deren Kompetenzbereich fiel weiterhin hauptsächlich die minuziöse Reglementierung des Lebens in den entsprechenden Gemeinschaften. Das Gemeinrecht eignete sich also bestens für einen erweiterten Geltungsbereich, und zwar auch in anderen als in den ursprünglichen geopolitischen Wirklichkeiten.

Die Rezeption des ius commune in Deutschland erfolgte in einer ersten Phase (13.-14. Jahrhundert) hauptsächlich in Anbetracht des maßgeblichen Einflusses des kanonischen Rechtes als Recht einer seinerzeit noch ungeteilten Respublica christiana. Ab der Reformation entwickelte es sich dann in erster Linie als Rezeption des römischen Rechtes: Dies ist der Grund, weswegen der Prozess der umfassenden Assimilation des Gemeinrechts, der sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert vollzog, als Usus modernus pandectarum, also als ein den damaligen Sitten und Gebräuchen angepasstes römisches Recht, bezeichnet wird. Aus ideologischer Sicht erschien es naturgemäß, dass das römische Recht zur Grundlage der kaiserlichen Rechtsordnung mutierte, wodurch der Gedanke der Kontinuität zwischen dem alten Römischen Reich und dem Deutschen Kaiserreich (translatio imperii) bestärkt wurde. Auf lange Sicht lieferte die Rezeption des ius commune fast paradoxer Weise einen wesentlichen Beitrag zur Herausbildung eines einheitlichen deutschen Rechts und einer einheitlichen deutschen Rechtssprache. In erster Linie war dies tatsächlich der Herausbildung einer uniformierten Juristenklasse zu verdanken, die im Laufe der Zeit an einer progressiven Verringerung der Zersplitterung auf juristischer Ebene und im Bereich der Rechtssprache im Kaiserreich arbeitete.

Ab dem 14. Jahrhundert bestehen Latein und Deutsch als offizielle Rechtssprachen im Wesentlichen nebeneinander. Dasselbe gilt auch für das Gemeinrecht und die Sonderrechte, die bei der Verwaltung des Rechts im Kaiserreich – wenn auch mit unterschiedlicher Relevanz – koexistieren. Das Vorliegen der Bilingualität in der Rechtssprache – die tatsächlich nicht nur im Deutschen Kaiserreich besteht, sondern in einem gewissen Maß ganz Europa betrifft – setzt sich bis zum 18. Jahrhundert fort. In der Zwischenzeit hat ein Prozess eingesetzt, der zur Herausbildung der Nationalstaaten und der entsprechenden innerstaatlichen Rechte führt. Dieser Prozess, der einen entscheidenden Impuls im Zusammenhang mit dem juristischen Absolutismus staatlicherseits erhält, gelangt schließlich Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert mit den großen Kodifikationen zu seiner Vollendung.

Während sich im 16. und 17. Jahrhundert die Volkssprachen auf europäischer Ebene in vielen kulturellen Bereichen größtenteils durchsetzten und Latein immer weniger verwendet wurde, so war in Deutschland – wie von Hans Hattenhauer zusammengefasst – «der Übergang zur Volkssprache als der Sprache von Recht und Staat erheblich schwieriger». Das Ziel, die Normen für die Adressaten verständlich und zugänglich zu machen, führt in der Tat zur Durchsetzung der deutschen Sprache in der Gesetzgebung und im Besonderen in einigen Bereichen des Rechts, wie beispielsweise im Strafrecht oder im Bereich der öffentlichen Ordnung (herauszuheben sind hier die Strafrechtsreform Carolina von 1532 und die Reichspolizeiordnungen aus den Jahren 1530, 1548 und 1577). Ferner zählen hierzu jene Bereiche, die schon traditionell von Gewohnheitsrechten geregelt (wie das Lehnsrecht, das Handelsrecht, die bürgerlichen Rechte) sind. Im 16. Jahrhundert wird Latein auch als Gerichtssprache abgeschafft: Es erscheinen zunehmend Übersetzungen und in Volkssprache abgefasste Kurzfassungen des römischen Rechts sowie volkssprachliche Formulare zur Verwendung durch Sachkundige. Diese praktische volkssprachliche Rechtsliteratur stellt einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung der deutschen Rechtssprache dar, da sie viele Begriffe lateinischen Ursprungs einführt, die sich noch heute im Rechtsvokabular wiederfinden. Im Besonderen treten auf diese Weise in die deutsche Rechtssprache zahlreiche Entlehnungen und Fremdwörter ein, die die germanischen Begriffe ablösen.

Im Übrigen ist die deutsche Rechtssprache im 16. Jahrhundert noch weit von der Feinheit und begrifflichen Präzision der lateinischen Sprache entfernt und somit noch für wissenschaftliche Abhandlungen und Abstraktionen der Rechtslehre hochgradig ungeeignet. Aus diesem Grund wird im „gelehrten Recht“, das an den Universitäten unterrichtet wird, sowie in der akademischen Rechtsliteratur (und auch in der politisch-rechtlichen Literatur) bis Ende des 17. Jahrhunderts weiterhin fast ausschließlich die lateinische Sprache verwendet. In der Zwischenzeit macht im Übrigen auch das juristische Latein Zugeständnisse an die Volkssprachen. So werden deutsche Begriffe übernommen oder so genannte „zweigleisige Formeln“ verwendet, bei denen der lateinische Begriff mit seinem volkssprachlichen Pendant kombiniert wird. Diese Zeit ist also durch eine ertragsreiche Beziehung des gegenseitigen Austausches zwischen der lateinischen und der deutschen Sprache gekennzeichnet. Die lateinische Rechtssprache, die auf dem mittelalterlichen Latein basiert, bleibt noch bis zur Frühen Neuzeit eine lebende Sprache, die sich weiterentwickelt und neue Begriffe und Ausdrücke erwirbt. Bisweilen werden diese aus dem klassischen Latein wieder in den Sprachschatz aufgenommen und mit neuen Bedeutungen ausgestattet. In anderen Fällen werden sie aus der juristischen Volkssprache oder, genauer ausgedrückt, aus den verschiedenen, in Europa gebräuchlichen volkssprachlichen Rechtssprachen (insbesondere aus dem Französischen und dem Italienischen) entlehnt. Somit kommt es zu einer ständigen Anhäufung von sprachlichen Entlehnungen, Kontaminationen sowie gegenseitigen Beeinflussungen.

Beispielhaft hierfür sind die Evolution in der Frühen Neuzeit des Wortes discursus, sowie die Herausbildung von lateinischen Neologismen wie ratio status (eindeutige Latinisierung des Ausdruckes „ragion di stato“ oder „Staatsräson“), die in diesem Vortrag untersucht werden. Ein weiteres interessantes Beispiel stellt ein Rechtsinstitut dar, das in Europa zwischen dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit Form annimmt. Es erlangt eine besondere Bedeutung – nicht nur in juristischer, sondern auch in politischer Hinsicht – in den Gebieten des Kaiserreiches, wo es mit dem Aufstieg und Fall der deutschen Frei- und Reichsstädte verknüpft ist. Die Rede ist vom Stapelrecht oder ius stapulae, eine Art „Anlegeprivileg“, das die wichtigsten Hafenstädte für lange Zeit genossen. Hier befinden wir uns im Bereich des Handelsrechts, einem Rechtsgebiet, das seit jeher durch eine schnelle Zirkulation der Rechtsmodelle und der Kulturen gekennzeichnet war und somit auch sprachlichen Innovationen offen stand.

 

 
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