Organisation: Cornel Zwierlein (Bochum)
Les langues spécialisées dans l’Europe du XVIe siècle
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Latein war über Jahrhunderte hinweg die einzige autoritative Sprache in den Wissenschaften, Künsten und Techniken. Mit der Renaissance treten komplementär zum Latein, teilweise auch in Konkurrenz zu demselben im Bereich von Wirtschaft, Naturgeschichte, Recht, Musik und Politik neue Sprachregime auf. In diesen Bereichen kann man nämlich eine Autorisierung der vernakularen Fachsprachen feststellen. Die Arbeitshypothese für diesen workshop ist, dass diese Autorisierung des Vernakularen einhergeht mit einem größeren Prozess der Methodisierung der Empirie oder dessen Frucht ist, der in den Wissenschaften und Künsten der Renaissance beginnt. Das gelehrte Recht beginnt die Kaufmannssprache der italienischen Hafenstädte aufzunehmen (assicuranza, polizza, cambio...) sowie die Sprache des regionalen Gewohnheitsrechts; in der vor-Linné’schen Naturgeschichte nimmt man die indigenen Namen und das indigene Wissen über die Pflanzen und Tiere auf, in der Musik beginnt man langsam die Sprache der praktischen Musiker zu rezipieren und so die arithmetische Konzeption von Musik zu ersetzen; in der Politik rezipiert man die Worte und Schlüsselkonzepte der italienischen politischen Kultur bis hin zu Prozessen der Relatinisierung der vernakularen Begriffe (contrapeso/contrepoids/equilibrium/ratio status...). Am Ende der Frühen Neuzeit scheint es zwei unterschiedliche ‚Lösungen‘ dieser Mischungsprozesse zwischen Latein und Vernakularsprachen gegeben zu haben, Hybridisierung oder Positivismus. Eine Hybridisierung der Sprachen und Wissensordnungen kann man beispielsweise im Bereich der Wirtschaft feststelen, wo die neuen Vertragstypen, die in den Hafenstädten und Börsen des Spätmittelalters und der Renaissance erfunden werden, nie komplett in die Strukturen des herkömmlichen gelehrten römischen Rechts integriert werden; statt einer solchen Integration entstehen außerhalb der Kern-Bereiche der Systematisierung gelehrten Rechts spezielle Handelsrechtsbücher bis zum 19. Jh., die aus einer semantischen und sprachlichen Mischung von antikem Recht und dem Recht der Praxis zusammengesetzt ist. Der Weg des ‚Positivismus‘ wird hingegen beispielsweise in der Naturgeschichte beschritten, wo das meist neologtistisch verfahrende Linné’sche System der binominalen Klassifikation ab der zweiten Hälfte des 18. Jhs. die vorherige Pluralität und Misch-Vielfalt der Namen und Vernakularsprachen verdrängt, die in den wissenschaftlichen Traktaten seit dem 16. Jh. akkumuliert worden war, womit der epistemische Rahmen der Renaissance endgültig zerbrochen wurde. Unabhängig davon, welcher der beiden Wege am Ende der Frühen Neuzeit gegangen wird – Hybridisierung oder Positivismus – ist es für die Zeit der Renaissance selbst entscheidend, die modi des Austauschs zwischen Vernakularsprachen und gelehrter Sprache und die Mischungsformen zwischen beiden als Effekt und Motor zugleich eines Prozesses der Empirisierung des Wissens und der Wissenschaften zu untersuchen.
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